Es
hätte sein Tag sein können. Eine spektakuläre Aktion. Der Tipp stammte von
einem langjährigen Informanten und hatte ihn ein Pfund Kokain aus der
Asservatenkammer gekostet. Er wollte es vor der versammelten Presse
inszenieren. Danach wären sie im Polizeipräsidium gar nicht um seine
Beförderung zum Kriminalrat herumgekommen. Der Innenminister hätte ihm
persönlich die Hand geschüttelt, vielleicht wäre sogar ein Orden drin gewesen.
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„Sehr
geehrte Damen und Herren, ich freue mich, dass Sie heute so zahlreich
erschienen sind, und begrüße auch die Vertreter der regionalen und
überregionalen Medien.“ Der Bürgermeister stand im milden Licht der Herbstsonne,
seine Amtskette glänzte und er strahlte seine Zuhörer an. „Vor achtzig Jahren
hat die Rote Armee unsere Madonna als Kriegsbeute mitgenommen und in einer Kirche
in Kiew aufgestellt, das damals noch zur Sowjetunion gehörte. Als Zeichen der
Verbundenheit mit den freiheitsliebenden Ukrainerinnen und Ukrainern, die so
tapfer gegen die Schergen des russischen Diktators Putin kämpfen, erhalten wir
heute die heilige Madonna von Wismar zurück.“
Applaus.
Der Pastor zieht am Tuch und enthüllt die Statue. Sie ist etwa einen Meter groß
und frisch restauriert. Der Bürgermeister stellt sich neben den Sockel, auf die
man die Madonna gestellt hat. Fotoapparate klicken, Kameras surren und Dutzende
Handys werden in die Höhe gehalten.
Das
ist das Stichwort für Kommissar Buntschuh, der mit seinem Assistenten Krämer etwas
abseits in einem Wagen gewartet hat. Sie stürmen auf die Menschenmenge und die
Bühne zu. Der Kommissar ruft: „Hier spricht die Polizei. Alles auf den Boden.
In der Madonna ist Plutonium.“ Er hat sich den Text lange überlegt. Das
Plutonium würde für eine schmutzige Bombe reichen und er bewahrt in wenigen
Sekunden Deutschland vor einer nuklearen Katastrophe.
Bis
auf die Kameramänner legen sich tatsächlich alle auf den Boden, einschließlich
dem Bürgermeister und dem Pastor. Buntschuh reißt die Madonna zu Boden und sein
Assistent trennt mit einer Kettensäge erst die Bodenplatte und dann den Kopf
ab, der von der Bühne rollt. Dann öffnet er den Torso der Länge nach. Im Innern
ist ein verchromter Behälter, den der Kommissar triumphierend in den Himmel reckt.
***
Buntschuh
wird sechs Monate suspendiert und findet sich anschließend als Knöllchenaugust beim
Ordnungsamt wieder. Der Behälter erwies sich als Cocktail-Shaker, der mit
Dinkelmehl gefüllt war. Bei seinen privaten Nachforschungen stößt er auf ein
Labyrinth aus Lügen, Intrigen und Geheimnissen. Sein Informant war von seinem
größten Konkurrenten, Kommissar Reitmeier, gekauft worden. Am Boden hatte die
Statue eine Klappe, sodass ein geschmierter Zollbeamter den Shaker im Inneren platzieren
konnte. Die ganze Nummer ging selbstverständlich viral und die gesamte
Landespolizei hat sich bis auf die Knochen blamiert. Um den Ruhm ganz für sich
allein zu haben, hatte Buntschuh natürlich keinen Vorgesetzten informiert und
selbst seinen Assistenten bis zum letzten Augenblick im Unklaren gelassen.




